KielPod Ausgabe 603: Harro-Schulze-Boysen-Weg eingeweiht
1. Dezember 2009
Ende vergangener Woche wurde der Harro-Schulze-Boysen-Weg mit einigen ironischen Untertönen in Kiel eingeweiht. Er verbindet die Koldingstraße mit der Feldstraße durch den Pastor-Husfeldt-Park.
Schulze-Boysen wurde am 02. September 1909 in einem Haus Ecke Düppelstraße/Feldstraße in Kiel geboren. Eine Gedenktafel, allerdings nur im Innern des Gebäudes, erinnert heute noch an dieses Ereignis.
Sein Großonkel war Ferdinand Tönnies und er war Großneffe von Admiral Tirpitz. Seine Jugend verbrachte er in Duisburg, wo er sein Abitur insbesondere Dank seines guten Ausdrucks in schriftlichen Arbeiten als einer der besten des Jahrgangs abschloss. Schon damals lehnte er den Nationalsozialismus ab, was sich auch in Aufsätzen etwa für Schülerzeitungen zeigte. Er studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Freiburg (1928/1929) und Berlin (1929-1931), ohne jedoch einen Abschluss zu machen. In Frankreich kam er im Folgenden mit sozialistischen Ideen in Berührung und entwickelte ein Interesse an der Sowjetunion. Schon mit 23 Jahren brachte er seine eigene Publikation heraus („Der Gegner“). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die Redaktionsräume des „Gegner“ 1933 von SS-Schlägern zerstört, die Redaktionsmitglieder wurden in ein „wildes KZ“ verschleppt, Schulze-Boysen wurde mittels Peitschenhieben misshandelt und mehrere Tage lang festgehalten. Die Nazi-Schlägertrupps ermordeten dabei vor seinen Augen seinen Freund und Mitstreiter Henry Erlanger, der Jude war.
Schulze-Boysen wurde Dank seiner Mutter jedoch rechtzeitig durch die Polizei befreit.
In der Folgezeit lernte er das Fliegen in Warnemünde und bekam eine Anstellung im Reichsluftfahrtministerium. Erste Veröffentlichungen erschienen wieder. 1936 heiratet er Libertas Haas-Heye. Dank ihres Einflusses auf Hermann Göring wurde Schulze-Boysen zügig trotz seiner Vergangenheit befördert. Parallel hierzu bildete sich um seine Person eine Gruppe zum Meinungsaustausch, wobei dessen Zusammenkünfte mehr und mehr zu konspirativen Treffen wurden. Flugblätter wurden gedruckt und verteilt. Allerdings zeigte sich die Naivität dieser Gruppe auch darin,
dass sie vermeintlich geheime Informationen den Russen zuspielen wollten, indem sie dieses Material in einen Briefkasten der Russischen Handelsvertretung warfen und eine Vertreterin der Gruppe dabei
aufgegriffen wurde.
Schulze-Boysen selber nutzte seine Tätigkeit beim Ministerium (die Erstellung von Presseübersichten) dazu, mit diesen Informationen auch die Tätigkeit der konspirativen Gruppe zu unterstützen. So kam es dann auch 1941 zu einem ersten Treffen mit Vertretern aus Moskau. Jedoch weigerte sich Schulze-Boysen, Dokumente zu verschaffen. Allerdings wurde die Gruppe in die Bedienung von Funkgeräten eingewiesen, um darüber Informationen zu übermitteln. Zu mehr, als dem Probefunkspruch „1000 Grüße an unsere Freunde“ kam es jedoch nicht, da beide zur Verfügung gestellten Geräte insbesondere auch wegen mangelnder technischer Kenntnisse (u. a. wurden Gleichstrom und Wechselstrom verwechselt) danach kaputt gingen. Auch zeigt die Nachschau, dass die Informationen, die an die Russen dann mündlich weitergegeben wurden, entweder falsch oder zumindest unvollständig waren, und damit keinen Wert hatten.
Dennoch kam es am 26.08.1941 zu einem folgenschweren Funkspruch der Russen an einen Kontaktmann, in dem die weitere Kontaktaufnahme zu der Gruppe angeregt wurde und insbesondere der Name Schulze-Boysen und sogar seine Adresse genannt wurden. Zwar war der Funkspruch kodiert. Doch 1942 konnte der Funkspruch durch die Folterung eines aufgegriffenen Funkers geknackt werden. Die Fahndungsgruppe „Rote Kapelle“ hatte damit ein leichtes Spiel, die gesamte Gruppe am 31.08.1942 festzunehmen. Hinzu kamen
eingeschleuste Spitzel ins Gefängnis, die durch die Erschleichung von Vertrauen weitere Namen von Sympathisanten der Gruppe herausbekamen.
Da es sich vor allem um Mitarbeiter der Verwaltung, aber auch andere angesehene Persönlichkeiten handelte, machte Göring die Angelegenheit zur geheimen Komandosache. An Schulze-Boysen wollte er persönlich Rache nehmen. Im Gerichtsverfahren ging es dann ausschließlich um den Verrat der Gruppe und nicht um die Flugblätter. Die meisten Angeklagten wurden zum Tode verurteilt. Schulze-Boysen wurde am 21.12.1942 erhängt.
Nach dem Krieg wurde Schulze-Boysen insbesondere in der DDR geehrt und sogar mit einer Sonderbriefmarke bedacht. Im Westen war dieses zunächst nicht der Fall.
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