Kieler Nachrichten (INKIEL) vom 07.11.2008

Strandtag

Ob etwas gut oder schlecht ist, ist meist eine Frage des Betrachters. So ist es auch mit dem Wetter. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“, sagt der Volksmund. Es könnte ein Kieler gewesen sein, der dieses als erster gesagt hat. Dabei straft uns die Statistik selber lügend, denn danach gehört Hamburg zu den regenreichsten Orten Deutschlands und nicht Kiel.
Caulius ist da geschmeidiger. Es ist Winter, ein Samstag im ewigen Kieler Herbst zwischen Oktober und April. Doch die Sonne scheint. Ein kurzer Anruf bei den Freunden und der Plan steht. Heute ist ein schöner Hochsommertag – Kraft Definition. Die Strandtasche steht gepackt und griffbereit im Flur. Keine 20 Minuten nach dem Telefonat sitzen alle dicht gedrängt im Auto und fahren über die Hochbrücke. Zwei mal rechts abbiegen und Falckenstein taucht vor uns auf. Ganz langsam tasten wir uns auf den Parkplatz, nachdem ein 2-Euro-Stück unter einen Strauch gelegt wurde. Die Illusion ist perfekt. Zur Sicherheit drehen wir noch eine weitere Runde über den leeren Platz bis einer aufgeregt ruft: „Da ist frei...“
Wir suchen uns eine geschützte Düne nahe dem Wasser. Wir keuchen und Pusten, weil man das so an einem Hochsommertag macht. Die Heringe der Strandmuschel werden mit Kraft in den gefrorenen Sand getrieben. Wir kommen tatsächlich ins Schwitzen.
Der Rest des Tages verläuft entspannt ereignislos. Einige spielen Beachtennis, aus Rücksicht vor den imaginären anderen Strandbesuchern nur auf sehr engem Raum. Eine Gruppe bricht auf und holt Pommes. Die schmecken dann zwar nach Haribo und etwas sauer, aber das stört uns nicht. Gegen Mittag stößt ein Nachzügler zu uns. Die Fähre von Laboe sei leider überfüllt mit Sommerurlaubern gewesen, so dass er im stickigen Auto zu uns kommen musste. Der Strandbus sei auch aus unerklärlichen Gründen nicht vom P&R Platz gefahren und dann ist natürlich keine freie Stelle zum Parken mehr frei gewesen. Wir lachen und sprechen ihm unser Mitgefühl aus. Ansonsten bestimmen Gespräche über die Landwirte, die sehnsüchtig auf Regen warten würden und die anstehende Klimakatastrophe den Nachmittag. Nur ins Wasser traut sich keiner. Zu viele Quallen, einige Feuerquallen sogar, einigt man sich auf eine gemeinsame Ausrede.
Nachmittags im Lichte der untergehenden Sonne geht es dann zurück. Natürlich im angemessenen Schritttempo, schließlich müsste Stau vor der Abfahrt auf die B503 sein. Das Hupen der anderen Verkehrsteilnehmer schieben wir auf die Hitze.
Zum Abschluss geht es wie üblich in die Forstbaumschule. Es braucht etwas Überredungskunst, den Kellner davon zu überzeugen, dass wir gerne draußen auf den Bänken sitzen möchten. Einen angebotenen Heizpilz lehnen pikiert ab. Doch nicht im Hochsommer.
Wir bestätigen uns gegenseitig, was für ein schöner Sommertag das heute doch gewesen sei und blinzeln beseelt auf die leeren Tische um uns herum. Erst als die ersten Raureifbrocken von den Biergläsern rieseln macht einer den erlösenden Vorschlag. „Lasst uns reingehen.“
Ja, die Sommerabende in Kiel können manchmal doch recht frisch sein.

Euer und Ihr

Caulius