Kieler Nachrichten 13.03.2009

Heimweh

Irgendwann kommt für einen Kieler der Tag, an dem er Kiel verlassen muss. Nicht für immer, aber doch für einige Zeit, weil sein Arbeitgeber eine Dienstreise angesetzt hat. So ist es auch bei Caulius. Er muss ab und an wirklich weit weg. Viel weiter weg sogar noch als Altenholz, Flintbek oder Laboe. Sogar südlicher als Hamburg. Doch schon am Vortag der Reise plagt mich das schlechte Gewissen. Ich gehe durch die Stadt und weiß genau, dass es ein Abschied ist. Und keiner der Menschen, die ich treffe, weiß davon. Ich sage es ihnen auch nicht. Ich trau mich nicht.
Kurz vor Ladenschluss stehe ich noch bei meinem Lieblings-Sky in der Holtenauer an der Kasse und hätte gerne nach der Eingabe der PIN und der Verneinung der Frage nach meiner Sammelbereitschaft von Marken die Verkäuferin zum Abschied noch einmal ganz fest in den Arm genommen. Mein Gefühl sagt mir, dass das fair wäre. Doch ich bin zu schüchtern.

Der Fahrer vom KielEXX klingelt pünktlich um 06:00 Uhr an meiner Tür. Zum Glück bin ich nicht der Einzige, der sich im Morgengrauen davonstehlt. Keiner von uns Mitfahrern redet ein Wort. Wir wissen, dass wir da durch müssen. In der Bergstraße sehe ich noch kleine Grüppchen Jugendliche, auf dem kleinen Kiel kreuselt sich das Wasser im aufziehenden Regen und erste Lichter leuchten in den Büros an den Kais und in der Holstenstraße auf. Auch die Stadt weint uns hinterher. Doch sie trägt es mit Fassung. Meine kleine Taxigemeinschaft schaut nicht zurück. Es muss auch mal ohne Kiel gehen.

Spätestens beim Verlassen des Fliegers ärgere ich mich mal wieder, dass ich viel zu viele regenundurchlässige Klamotten eingepackt habe. Und so viele andere Kleinigkeiten erinnern mich daran, wie weit weg ich von zu Hause bin. Das Aldi-A steht ganz schief, Menschen in sommerlicher Kleidung sprechen seltsame Dialekte. Nirgendwo weisen Hinweisschilder auf Fähranleger, Strände oder zumindest die nächste Kieler Woche hin. Demonstrativ lasse ich den dicken Pullover an.

Abends dann stehe ich an einer Kasse. Ich brauche nichts. Deshalb rollt nur ein Kirschjoghurt einsam über das Fließband. Joghurt geht immer und macht in Maßen genossen nicht dick.
Es kann sein, dass ich es mir einbilde. Doch die Verkäuferin scheint mich intensiver als die anderen Kunden anzulächeln. Ob sie weiß…? „Schön, dass Sie heute bei uns eingekauft haben“, sagt sie. Dann will sie auch noch meine Postleitzahl wissen. Für die Statistik sagt sie. Aber für mich ist klar: Ich bin zurück. Und Kiel hat es gemerkt. Wenn ich dich das nächste Mal einen ganzen Tag lang verlasse, dann werde ich mich besser verabschieden. Versprochen.

Euer und Ihr

Caulius