Eckernförder MTV gegen TSV Klausdorf

Saisonende

(von der Seite Klausdorf-Frauen.de 21. Mai 2009)

Der DFB war noch in den 50er Jahren der festen Überzeugung, dass Fußball nichts für Frauen sei. Herr Blatter hingegen brachte 2004 als FiFA-Präsident die Idee auf, mehr Erotik in den Frauenfußball zu bringen, indem er die Spielerinnen in engere Hosen stecken wollte.

Beides ist Geschichte und so stehe nun ich hier in Eckernförde bei schönstem Sonnenwetter am Fußballplatz und erwarte das letzte Saisonspiel des TSV Klausdorf. Spiele beim Eckernförder MTV bedürfen auch für die Zuschauer eines strengen Vorbereitungsplans, ist es doch ein Schulsportplatz, der nur sehr eingeschränkte sanitäre Einrichtungen aufweist. Doch ich kenne mich aus als mehrjähriger Fanblock und habe schon Anfang der Woche damit begonnen, meinen Flüssigkeitshaushalt entsprechend zu maßregeln. Dies zahlt sich nun aus. Ich kann die kompletten 90 Minuten inklusive Vorbereitung und Siegesjubel ohne Gedanken an Toiletten überstehen.

Seit 9 Jahren tingele ich nun mit meiner Frau über die Fußballplätze Norddeutschlands. Ja, meine Frau spielt Fußball. Und ich nicht. Macht aber nichts. Dann fotografiere ich eben. Sicher, hätte sich 2004 Herr Blatter mit seiner Idee durchsetzen können, ich hätte damit wahrscheinlich reich werden können. Doch Geld ist nicht alles.

Davon ist auch der Trainer von Klausdorf sicherlich überzeugt. Es ist 45 Minuten vor dem Anstoß und er steht in einer viel zu engen Umkleidekabine vor über einem Dutzend Frauen in Traingsanzügen und schwört sie auf das kommende Spiel ein. Er ist Bayernfan und gezeichnet von einer Bundesligasaison, die ihre tiefen Risse hinterlassen hat. Doch das lässt er sich heute nicht anmerken. In bester Klinsmann-Art beschwört er den Geist des dritten Platzes, als ginge es noch um die Frage Champions-League oder Cup der Verlierer. Sein Manchester United ist in dieser Saison Schleswig gewesen. Eine Niederlage, die weh tat.

Das Stadionrund ist mit nahezu 20 Betreuern und Fans gut gefüllt. Dann laufen die Spielerinnen auf. Der Schiedsrichter ermahnt noch einmal zur Verstauung der Hemden in den Hosen, gibt aber Entwarnung für den Rest der Partie. Da sei dieses dann nicht unbedingt mehr notwendig. Erinnerungen an meine Konfirmationszeit werden wach. Da war man nicht so freimütig. Nur das Hemd beim Einlauf in die Kirche gerichtet und dann während der Predigt alle Hemmungen fallen lassen – Gott und Patenonkel wären nicht erfreut gewesen.

Anpfiff. Noch einmal denke ich an das Spiel vom vergangenen Sonntag gegen den Tabellenführer Rot-Schwarz Kiel zurück. Das war ein Filetstück des deutschen Frauenfußballs. Ein Spiel, mit dem zu Großmüttern gewordene Spielerinnen noch ihre Enkel beim Geburtstags-Pflichtbesuch quälen werden. Ich habe kurz die Augen geschlossen und schnalze leise mit der Zunge. Doch als ich die Augen wieder öffne, sehe ich im Schein der untergehenden Sonne viel Durcheinander. Es hakt im Spiel beider Mannschaften. Natürlich, die Saison war lang. Und Temperaturen weit über 12 Grad in der prallen Sonne zerren an den Nerven. Auch an denen der Zuschauer, die je nach Fanzugehörigkeit mal die eine, mal die andere Schiedsrichterentscheidung mit lautstarkem Protest begleiten. Ein Fan der Klausdorfer wirft dem Trainer von Eckernförde sogar Parteilichkeit vor. Ein unerhörter Vorwurf. Ich jedoch ziehe mich zurück in meine eigene Welt, schließe wieder die Augen und lasse die zweite Halbzeit des Rot-Schwarz Kiel Spiels an mir vorbeiziehen. Doch da werde ich jäh aus meinen Träumen aufgeschreckt. Der Trainer von Klausdorf hat irgendetwas gebrüllt. Ich bin verwirrt. Klausdorf spielt doch toll. Erst allmählich erkenne ich, dass ich wieder in Eckernförde bin und Klausdorf doch nicht so toll spielt.

Da fällt das erste Tor – für Klausdorf. Ich bin beruhigt und sehe ein, dass ich mich getäuscht habe. Sie spielen dann wohl doch gut. Auch nach den vielen Jahren des passiven Zuschauens fehlt mir immer noch der Kommentator, um so etwas zu erkennen. Ein Marcel Reif hätte mir rechtzeitig vor dem Tor gesagt, wie es um die Mannschaften steht. Da muss ich mir nicht alles selber zusammenreimen.

Klausdorf legt nach. Doch auch Eckernförde bekommt seine Chance. Mit 3:1 geht es in die Halbzeitpause. Doch der Trainer von Klausdorf ist nicht zufrieden. Er will mehr und so kann man auch aus der Entfernung erkennen, dass die Ansprache deutlich ist. Inzwischen ist die Sonne hinter den Bäumen verschwunden und wirft ein nahezu verwunschenes Licht auf den Platz. Sinnbildlicher hätte man die letzten 45 Minuten der Saison nicht beginnen lassen können - und die letzten 35 Minuten meiner Frau im Trikot des Führenden.

Die Ansprache scheint gewirkt zu haben. Es stellt sich ein Ringelrein der Auswechslungen auf Klausdorfer Seite ein. Jeder darf mal, gerne auch mehrfach. Vier weitere Tore werden noch erzielt. Auch meine Frau ist bemüht. Beinahe wäre ein Kopfball reingegangen. Ich bin beruhigt. Wäre das ein Tor gewesen, es hätte Jahre gedauert, sie wieder langsam auf die Realitäten des Alltagslebens einzustellen. So bleibt sie torlos und verlässt in der 82. Minute mit wässrigen Augen das Feld. Als erstes umarmt sie ihren Trainer. Dann mich. Auf dem Fußballplatz gelten andere Prioritäten.

An diesem Abend wird noch viel umarmt und gedrückt. Auch Jane und Anne verlassen damit die Mannschaft. Der 7:1 Endstand ist da nur Nebensache. Inzwischen ist die Sonne über Eckernförde vollständig untergegangen. Im Rückspiegel bei der Heimfahrt sehe ich ein Farbenspiel am Himmel, wie man es nur ganz selten in der Gegend beobachten kann. Ein würdiges Feuerwerk für eine schöne Saison. Für eine schöne Zeit beim TSV Klausdorf.

„Aber ist da nicht noch ein Turnier demnächst?“ spreche ich beinahe flehentlich die ungewöhnlich ruhige Hilke auf dem Beifahrersitz an. Sie sagt nichts und lächelt mich nur an.

(Fotos vom Spiel gibt es hier: http://www.fussballfotos.info/album/thumbnails.php?album=73 und mehr zur Frauenmannschaft des TSV Klausdorf findet man hier: http://www.klausdorf-frauen.de)