Kieler Nachrichten 08. Mai 2009

Caulius und die Literatur

Caulius überlegt, ob er nicht einen Bestseller schreiben soll. Von einigen positiven Reaktionen zur Kolumne angestachelt, will er nun den ganz großen Wurf machen. Der Ort für seinen Roman ist natürlich schnell gefunden: Kiel. Dabei ist Kiel bisher von der Weltliteratur nur beiläufig gestriffen worden. Herr Verne leitet seine Reise zum Mittelpunkt der Erde über Kiel… wenn auch nur als Umsteigestation zwischen Altona und Stockholm. Herr Schätzing lässt den Hauptdarsteller das GEOMAR besuchen und Herr Lenz platziert sein Feuerschiff in die Kieler Bucht. Natürlich gab es auch noch die Bücher von Herrn Zaimoglu, einige Krimis und „Auf der Universität“ von Herrn Storm. Doch Letzterer ist auch schon über 145 Jahre alt. Caulius will mehr. Eine Geschichte, die alle 10 Jahre an Originalschauplätzen neu verfilmt wird. Sozusagen die Buddenbrooks, nur eben nicht in Lübeck.

Caulius sieht sie förmlich vor sich. Die Saga einer Familie aus Elmschenhagen. Nachdem diese eine durch Stichlinge ausgelöste große und dramatische Überschwemmung glücklich überlebt hat (nur Einheimische wissen, dass das für Elmschenhagener dank der erhabenen Lage keine große Kunst ist), überlegt der älteste Sohn, Zauberei zu lernen. Gegen den Willen der Eltern geht er auf die Zauberschule in Holtenau (Ähnlichkeiten mit der IGF sind rein zufällig und nicht gewollt). Gerade die Pubertät überwunden, wird er im Anschluss an das Seglerfeuerwerk zur Mitte der Kieler Woche einige sehr unschöne Erlebnisse in den Feuchtgebieten bei Schilksee und Strande haben. Meine Rücksicht auf minderjährige Leser verbietet es mir, hier genauer zu werden. Aber dieses Kapitel wird sehr explizite Darstellungen von einem (durch heftigen Genuss Kieler Sprotte ausgelösten) Schwimmabenteuer im Raum Bülk enthalten.

Hiervon traumatisiert, sucht der nunmehr zum Mann gewordene Zauberlehrling innere Einkehr und spirituelle Einsichten bei einem zweimonatigen Marsch von Schwedeneck bis Heidkate (Arbeitstitel: „Ich bin dann mal auf dem Förderwanderweg“). Hierbei wird er auf allerlei seltsame Einheimische treffen und beim Abstieg von der Bergstraße an seine Grenzen stoßen. Bei einer früh-morgendlichen mysteriösen Begegnung mit einem angeblich längst ausgestorbenen Aurette-Burger an selber Stelle (Kapitelname „Biss in den Zwei-Pfunder zum Morgengrauen“) wird er erleuchtet und hat durch den Fleischschock eine Vision. Er soll die Welt retten, oder doch zumindest das Straßenfest auf der Holtenauer und die Lessinghalle. Mitten auf der Förde zwischen Möltenorter Marieneehrenmal und Friedrichsorter Leuchtturm wird es dann am Ende noch einmal ganz dramatisch bei einem Kampf mit einem Schwertfisch, der aussieht wie ein Wal. Dabei erfährt er auch, dass Andreas Gyke sein Vater war und Asmus Bremer gar nicht richtig gestorben ist, sondern als Untoter jährlich im Frühjahr braven Kielern beim Einkaufsbummel erscheint. Natürlich muss auch noch etwas Liebe in die Geschichte. Statt auf der Rialto-Brücke treffen sich die Lippen auf der Levensauer Hochbrücke. Die ist eh größer.

Für den Herbst plane ich schon meine Lesereise von der Heikendorfer Bücherkiste über Stielke bis Mühlau. Im Sommer habe ich genügend Zeit zum Vorsignieren. Und für den Winter steht bereits mein zweites Projekt an. Über einen Flintbecker Familienvater, der nur durch das Lesen von Straßenkarten nach Belieben Orte wie die Olshausenstraße aufreißen kann. Arbeitstitel: „Flintenherz“. Seien Sie gespannt. Kiel ist reif für ein neues Stück Weltliteratur, findet

Euer und Ihr

Caulius