Kieler Nachrichten (Teil INKIEL) 06.09.2013

Caulius und das Öl

Welcher alt eingesessene Kieler erinnert sich nicht an die Zeit, als in der Stadt an der Förde das Öl floss. Und ich meine damit nicht das aus der Famila-Tankstelle oder von Willer. Das schwarze Gold wurde damals schon in der Kieler Bucht gefördert und brachte Saus und Braus in die Landeshauptstadt. Dubai war noch ein verschlafenes Wüstendorf. Kiel war die Heimat der Ewings und Carringtons.

Diamantene Wasserhähne waren bei Eisen-Henkel auf Monate vorher ausverkauft. Was auch immer die Historiker heute neu Zugezogenen erzählen wollen, die gelbe Farbe der Straßenbahnen bis in die 80er kam nicht von ungefähr. Das war pures Gold. Bei Holstein Kiel spielten Größen wie Pelé und Beckenbauer (damals nannte sich Holstein noch "Cosmos New York"). Langeland wurde vor der Kieler Bucht künstlich aufgeschüttet, um den Neureichen aus Kiel als Naherholungsgebiet zu dienen. Und überall im Stadtgebiet entstanden Prunkbauten.

Viel ist von damals nicht erhalten geblieben, nachdem das Öl versiegt war und sich die Förderung nicht mehr lohnte. Vom engmaschigen U-Bahn-Netz unter der Förde ist nur der Versorgungstunnel zum Kraftwerk erhalten geblieben. Bescheidenheit wurde plötzlich hipp. Wolkenkratzer wie das heutige Uni-Hochhaus (ehemals das höchste Gebäude der Welt) wurden auf 15 Stockwerke verkleinert und mit Fassaden versehen, die das ursprünglich verbaute Marmor komplett verdecken. Auch von dem Kiel International Airport ist heute nur noch einer der ehemaligen Reisebedarfs-Shops erhalten, dessen Gebäude nunmehr als Abfertigungshalle dient. Immerhin konnte die Startbahn-Süd als A215 weiter genutzt werden.

Von der riesigen Oper mit 40.000 Plätzen ist heute nur noch der kleine Probenraum erhalten, in dem nunmehr die Aufführungen stattfinden. Von der Brunnenanlage im Innenhof der Oper ist noch der heutige "Kleine Kiel" geblieben. Auch von dem nahegelegenen Einkaufszentrum "Holstenstraße" wurden Dächer und Wände abgetragen. Am heutigen Hotel Astor kann man noch die ungefähren Dimensionen dieses Monumentalbaus erahnen. Dieses diente damals als Aufzugschacht des Shoppingparadieses. Die Ostseehalle war dabei Teil des Kinderlandes. Die lieben Kleinen konnten dort entspannt kurze Disney-Filmchen sehen, während Mama und Papa verzweifelt versuchten, ihre Millionen (damals allerdings noch D-Mark) irgendwie los zu werden. Die Banken hatten in der Kieler Öl-Zeit nämlich noch Probleme solche hohen Beträge in der Anfangszeit der EDV zu verbuchen. Ich erinnere mich, dass unsere Eltern regelmäßig Anrufe von der Sparkasse erhielten, doch Geld abzuheben, da die Konten überliefen.

Die Zeiten haben sich geändert. In Katzheide wurde der Champagner schon vor vielen Jahren durch Chlorwasser ersetzt.

Nun plant jedoch eine Gesellschaft erneut die Ölförderung vor Schwedeneck aufzunehmen. Eine Pipeline nach Gettorf soll die Region wieder zum alten Glanz führen. Frisch Gezapftes überall an den Tankstellen im Kieler Raum, vielleicht sogar Unser-Norden-Benzin bei Sky? Ich habe sicherheitshalber schon mal ein wenig Platz auf meinem Konto gemacht. Sicher ist sicher.

Dies rät auch allen anderen Kielern

Euer und Ihr

Caulius