Kieler Nachrichten (INKIEL) 11.05.2012

Caulius geht shoppen

Ich kenne sie noch, die Zeit, als man einkaufen ging und nicht zum „Shoppen“ in die Stadt fuhr. Das Klischee will es, dass Frauen (aber auch so manche Männer) beim Besuch in den Metropolen der Welt – Mailand, Madrid, Paris oder auch Lübeck – vor allem das Shopping-Event im Blick haben. Da werden die Scalas und Eifeltürme der Welt für die kleine Boutique verschmäht, nur um dann doch des Preises wegen ausschließlich bei Esprit noch eine Bluse mit zu nehmen.

Weshalb ich das schreibe? Weil es Esprit auch in Kiel gibt und es nur eine Frage der Autosuggestion ist, sich vorzustellen, vor der Tür des Ladens wäre der Arc de Triomphe oder auch das Holstentor. Nehmen wir uns einen ganz normalen Samstagmorgen. Der Kielius ist gerade abgefahren, die Fluglotsen streiken und man ist dazu verdammt, Kiel als Shopping-Metropole Nr. 1 zu entdecken. Die Frage heißt dann nicht Mailand, Madrid, Paris oder Lübeck, sondern schlicht „Stadt“, „Holtenauer“, „Citti-Park“ oder „Raisdorf“ (für die jüngeren Leser: „Schwentinental“). Ganz Verwegene nehmen auch noch „Friedrichsort“ oder gar „Schilksee“ mit in die Liste auf – obwohl Letzteres wohl eher, wenn sonntags noch die Schwiegereltern überraschend vorbeikommen wollen und diese den Glauben an die Kochkunst des Liebespärchens nicht verlieren sollen.

Worauf die Wahl fällt, ist eine Mentalitätsfrage. Der „Stadt“-Shopper ist da eher der Traditionalist. Verzweifelt versucht er allen aktuellen Widrigkeiten zum Trotz in das alte Karstadt-Parkhaus einzufahren. Erst das eindringliche Gestikulieren der Bauarbeiter überzeugt ihn von der Abwesenheit der Parkdecks und er wählt (noch) den Parkplatz „Alte Feuerwache“ als Ausweichquartier. Schluchzend weist er beim Gang Richtung Sophienhof beim Bootshafen jeden Passanten darauf hin, dass es schließlich mal eine Seilbahn, ein Weipert-Kaufhaus und einen flach gelegten Leuchtturm gegeben hat. Beim Passieren des Asmus-Bremer-Platzes geht sein Blick auf der Suche nach dem KN-Pressewurm ins Leere und er ist fest davon überzeugt, dass nur noch Schuhläden, Handy-Geschäfte und Ein-Euro-Shops die Holstenstraße säumen würden. Erst zu Hause stellt er dann verwirrt fest, dass er Tüten von Meislahn, Mahlberg, WMF und Witte in Händen hält.

Wer die Holtenauer als sein Zielgebiet wählt, der ist Genießer. Er weiß, dass hier viele kleine Läden auf ihn warten und eine „Spätschicht“ für Viele nichts Schlimmes ist. Currywurst wird hier auf Holztellern serviert, zur Schokolade gibt es einen Prosecco und viele Geschäfte heißen so wie die Person, die einen gerade bedient. Erst abends stellt er dann fest, dass er eine Penny-Tüte in der Hand und ein neues E-Plus-Handy am Ohr hat.

Der Citti-Park ist etwas für Bequeme, die sich schon in der Tiefgarage an den vielen roten und vor allem grünen Lämpchen erfreuen können. Sie wissen zwar, dass ihre Ausrede, sie wollten nur mal die Reptilien-Ausstellung ansehen, glatt gelogen war. Aber dafür hieven sie am Ende des Tages massenhaft Tüten mit allem Möglichen in den Wagen und haben den festen Entschluss gefasst, gleich Montag bei Zoo-Knutzen (also „in der Stadt“) einen Leguan zu erwerben.

Den Raisdorf-Fahrer können wir kurz machen. Er steht auf Groß und Mächtig und hat schon beim Losfahren vorausschauend die Rückbank umgeklappt. Außerdem hat er sicherheitshalber die Scheiben tönen lassen, falls doch noch während seines Shopping-Erlebnisses die Zollkontrollen zwischen Kiel und Schwentinental eingeführt werden sollten.

Bummeln in Friedrichsort ist übrigens auch nett – nur mal so als Geheimtipp für alle Kieler, die meinen schon alles gesehen zu haben. Der Stadt-Traditionalist findet hier immerhin seinen Leuchtturm vom Bootshafen wieder. Der Genießer entdeckt einige kleine nette Geschäfte. Und der Bequeme wird erfreut sein, dass die Einkaufsstraße eher übersichtlich ist. Ach ja, und der Raisdorf-Fahrer kann immerhin an den Strand. Der ist ziemlich groß.

Warum also in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Und wenn es doch mal die große Welt sein soll? Dann frisch die Rückbank umgelegt und auf nach Schwentinental.

Findet Euer und Ihr

Caulius