Kieler Nachrichten (INKIEL) 16.03.2012

Caulius und die Kieler Straßen

Kiel hat, wie jedes Kind in der Welt schon in der Grundschule lernt, mit der Holstenstraße die älteste verkehrsberuhige Zone Deutschlands - und nein, liebe Menschen aus Essen, Eure Treppenstraße war ein Neubau. Die älteste Fußgängerzone, die vorher noch eine normale Straße war, die hat Kiel seit dem 12. Dezember 1953. Die Holstenstraße gibt es übrigens schon seit 1525 und sie heißt so, weil sie nach Holstein führte … Entschuldigung … „zu“ Holstein Kiel natürlich und Holstein Kiel wurde bekanntlich Mitte des 16. Jahrhunderts Europameister, was damals allerdings noch „Schleswig-Holstein-Gottorf-Pokal“ hieß. Oder so ähnlich …

Aber das ist nicht alles, was Fuß, Rad und Pfote in Kiel auszuhalten vermag. Da gibt es zahlreiche weitere Wege und Straßen, die selbst gestandene Kieler von der Namensgebung her erstaunen. Was haben wir da allein schon für zahlreiche Straßen, die einem Auswärtigen suggerieren, hier würden sich die Reinhold Messners der Welt die Klinke beim Erklimmen von Zentralmassiven in die Hand geben. Wir haben zum Beispiel die Bergstraße, Blocksberg, Jägersberg oder auch den Heidenberger Weg. Da versprüht der „Kleine Kuhberg“ ja fast noch eine unbekümmerte Ehrlichkeit. Überhaupt dürften Durchreisende so ihre Probleme damit haben, sich nur an Straßennamen orientieren zu wollen. In der Innenstadt mag die Welt noch in Ordnung sein. Da führen tatsächlich die „Eckernförder Straße“ nach Eckernförde, der „Knooper Weg“ zum Gut Knoop (na ja, zumindest so ungefähr) und über die „Holtenauer Straße“ kommt man grob auch nach Holtenau. Aber gerade im Bereich Mettenhof sollen sich die Anwohner inzwischen rührend um die gestrandeten Skandinavier sorgen, die hier zunächst behelfsmäßig in Turnhallen untergebracht werden, wenn der Sprit nach stundenlangem Kreisen auf der Stockholmstraße, Helsinkistraße oder auch dem Lofotenweg ausgegangen ist. Die sind aber immer noch besser dran als die armen Seelen, die seit über 100 Jahren in einer Realitätsschleife in der Kieler Straße in Gaarden festhängen.

Dass der Tourist verwirrt auf der Holstenbrücke steht und nach dem zugehörigen Gewässer sucht, das war in dieser Kolumne ja schon öfters Thema - und vielleicht ändert sich ja da auch bald etwas, sollte der Canal Grande tatsächlich kommen. Auch wäre es ratsam ans Ende der Schloßstraße ein Schild anzubringen, das darauf hinweist, dass das dort drüben tatsächlich mal ein Schloss war – oder eine Burg (wegen der Burgstraße) – oder gar eine Eggerstedt … was auch immer das sein mag. Aber immerhin trifft man im Sommer an Wochenenden ab und an ein paar Optis im Bootshafen. Da ist die Welt dann wieder in Ordnung.

Auch zeugen die Straßennamen noch heute davon, wie Kiel vor vielen Jahren mal ausgesehen hat, damals vor den Olympischen Spielen 1972, als hier noch keine Autobahn herführte (aber auch keine penetrant immer rote Ampel den Einlas in den Schützenwall regelte) - eben damals, als nur Andi Gayk, Asmus Bremer und von der Tann gemeinsam mit Adelheid und Professor Muhlius in einer WG in der heutigen Küterstraße allein die Stadt bevölkerten. Das war die Zeit, als es noch Felder bei der Feldstraße gab, im Niemannsweg tatsächlich niemand wohnte und es in der Schauenburgerstraße noch ordentlich was zum Gucken gab. In den Archiven finden sich noch Bilder, wie im Winter fröhliche Kinder mit Kochtopf auf dem Kopf und Kufen unter einem Brett voll Karacho die Schlittenhelmstraße runter sind. Immerhin, wenn man das heute noch macht, dann ist die umfängliche ärztliche Versorgung nicht weit. Und die Blumenstraße sowie Gartenstraße waren auch mal grüner. Sogar die Polizeiautos dort sind inzwischen blau.

Überhaupt waren die Menschen früher viel mehr zu Fuß unterwegs, wenn auch streng nach Berufsgruppen getrennt. Wehe ein großer Denker verließ seinen Philosophengang mal auf Brautschau in den Jungfernstieg. Der fand sich dann aber ganz schnell in der Hospitalstraße wieder – sofern er das Glück hatte nicht durch den Jägersberg oder am Schützenwall vorbeizukommen. Ausreden, er wäre vielmehr gerade auf einem Bäckergang und ansonsten sowieso ziemlich prüne, zählen nicht. Das würde jeden Olaf auf die Palme … äh Damm bringen.

Übrigens, falls Sie Theodor Heuss treffen, dann sagen Sie ihm bitte, dass ich seinen Ring in der Reeperbahn in Gaarden gefunden habe. Vielleicht sollte er einfach beim nächsten Mal die Hopfenstraße schneller durchqueren, solange er noch nüchtern ist. Ist nur so ein Tipp von

Seinem, Ihrem und Eurem

Caulius