Kieler Nachrichten (INKIEL) 19.08.2011

Caulius und die Post-Kieler-Woche-Depression

Dass die Kieler Woche für den Kieler etwas ganz Besonderes ist, merkt man schon daran, dass der Einheimische eigentlich so ziemlich alles in seinem Alltag und zu jeder Jahreszeit darauf bezieht. Sobald der Nieselregen einsetzt, ist es „Kieler-Woche-Wetter“, fällt die Restaurantrechnung etwas üppiger aus, dann sind es „Kieler-Woche-Preise“ und wird der Andrang beim Schnäppchen im Supermarkt zu groß, dann „fühlt man sich wie auf der Kieler Woche“.

Aber vor allem ein Vorurteil hält sich besonders hartnäckig. Schon während der tollen 10 Tage im Juni hört Caulius seine Freunde klagen, warum denn die übrigen 51 Wochen in Kiel nichts los sei. Meine Gegenargumente, da wären ja auch noch Bootshafensommer, Duckstein-Festival, Kultursommer, KID’s Festival, Museumsnacht, Eisfestival, Spätschicht, Umschlag, Nacht der Clubs, Kulturrausch, Leuchtturmfest, Fest der Biere, Hansekoggentreffen, NOK Romantika, Bauernmarkt, Skandinavientage, Honky Tonk und und und... sie verhallen ungehört. Oder will man es nicht hören?

Dabei ist es so einfach, praktisch jeden Tag Kieler-Woche-Gefühle zu entwickeln. Sobald der Himmel zuzieht und die Luftfeuchtigkeit den Zustand der Sättigung überschritten hat, macht man sich auf den Weg. Alles nur eine Frage der Suggestion und der Improvisation. Dazu habe ich stets eine alte Kieler-Woche-Flagge im Schrank, die ich beim Einsteigen in einen Bus in einem unbeobachteten Moment über der Tür einstecke. Dann mit geschlossenen Augen an eine Wand pressen und der erste Teil der Illusion ist geschafft.

Am einfachsten ist es, wenn man nach Schilksee fährt. Zumindest im Sommer kann man sich bei etwas Betrieb auf dem Wasser stets der Vorstellung hingeben, das seien Regatten, wenn auch etwas ungeordnet und mit starkem Leistungsgefälle. Sollte ich Freunde dabei haben, so rufen wir abwechselnd irgendwelche Namen, verbunden mit der Bitte, dass diese doch zum Wettkampfbüro kommen mögen. Das irritiert zwar den Passanten und führt uns schnell in die Isolation. Aber dafür fühlen wir uns gleich zu Hause.

In der Innenstadt ist schon etwas mehr Aufwand von Nöten, wenn nicht eh gerade eines der schon genannten Kieler-Woche-Methadonprogramme an Bootshafen, Kiellinie oder Hörn angeboten werden. Ein Sky-Markt geht ja noch als Unser-Norden-Dorf durch. Und die Wurstverkäufer in der Holstenstraße kennen mich auch schon. Etwas am Verkaufswagen gewackelt und mir reicht das, um es als Schwenkgrill zu identifizieren. Und für ´nen Fünfer ruft mir das Nordsee-Personal gerne ein fröhliches „Hier gibt es Backfisch“ hinterher. Die Beschaffung von Caipis für 5 Euro beim örtlichen Kneipen-Dealer ist eh kein Problem. Und auf der Krusenkoppel ist es dieses Jahr schließlich das Märchen von der unsichtbaren Stadt, das präsentiert wird. Zur Sicherheit habe ich aber stets auch Hammer, Nagel und zwei Bretter im Handgepäck.

Nur mit dem Bühnenprogramm, das war lange eine Herausforderung. Ich habe es mit MP3-Player und geschlossenen Augen auf dem Gelände vor dem Kreuzfahrtterminal versucht. Doch spätestens wenn einparkende Autos einen weckhupen, dann ist die Illusion dahin. Doch jetzt habe ich gehört, dass sich eine Kieler Laienspieltruppe dem Problem angenommen haben soll. Für eine kleine Spende sind sie bereit sich auf ein paar Bananenkisten zu stellen (je nach Wunsch auch auf der Reventlouwiese oder an der Hörn) und von Michy Reincke über Tiffany bis zu den Weather Girls alles zu performen, was den Kieler-Woche-Junkie zum Erzittern bringt.

So gehe ich dann unter dem Abbrennen einiger übrig gebliebener Silvesterknaller beseelt nach Hause. Schön war er wieder, dieser ganz eigene Kieler-Woche-Tag - und zum Glück mal nicht ganz so voll.

Dennoch freut sich schon auf den nächsten Juni

Euer und Ihr

Caulius