Kieler Nachrichten (INKIEL) 21.04.2011

Caulius und die Bahn

Gerne wird in Kolumnen ja über die Bahn geschimpft. Aber Caulius outet sich heute: ich bin Bahnfan – mit allem, was dazu gehört. Ich bin Abonnent von „Bahn-Report“ und „Bahn-Extra“, in meinem Bücherschrank stehen Perlen der Weltliteratur wie „Das große Archiv der deutschen Bahnhöfe“ (leider klafft eine Lücke zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Kirchheim Nord) und „Das große Archiv der Eisenbahnstrecken“ (mit Strecken wie „Celle Nord-Soltau Süd“ und natürlich „Hamburg Rainweg-Kiel Hbf 1220“).

Als Kind wollte ich am liebsten auf dem Bahnhof wohnen. Okay, das hat sich inzwischen etwas relativiert. Aber Bahnhöfe haben noch immer etwas Magisches für mich. Das beginnt schon mit der Sprache. Während Grammatik-Fetischisten bei einem „Willkommen in Kiel Hauptbahnhof“ verschreckt zusammenzucken, säusel ich das „Nächster Halt ist Kiel Haupftbahnhof. Dieser Zug endet dort. Wir bitten alle Fahrgäste auszusteigen“ bei der Anfahrt auf Kiel verzückt mit. Natürlich nur echt mit der Über-Betonung auf dem „aus“ von „auszusteigen“. Das ist reine Poesie. Und was für den Autofahrer die rote Ampel am Übergang von der A215 auf den Schützenwall ist, das ist für mich Harry’s Fliesenmarkt. Wenn ich den aus dem Wagonfenster erblicke, dann weiß ich, ich bin zu Haus.

Dabei muss ich aufpassen, dass mir meine Begeisterung am Schienenverkehr nicht zu Kopf steigt. Es passiert, dass ich zum Scherze im Postamt im Neuen Rathaus nach der Abfahrt der NOB nach Husum frage. Den verblüfft dreinschauenden Postmitarbeiter kläre ich dann gerne in meiner Großmütigkeit darüber auf, dass sich der Kieler Hauptbahnhof immerhin bis vor kurzem (1899) genau hier in der Schalterhalle befand. In der Regel folgt dann allgemeines Durchatmen, dass dieses nicht mehr so ist. Würde es doch mit einem einfahrenden ICE reichlich eng zwischen den nun vorherrschenden Verkaufsregalen, Geldautomaten und Tresenbereichen werden. Der geordnete Briefmarkenverkauf wäre kaum noch möglich.

Kein Verständnis ernte ich hingegen, wenn ich mich mal wieder beim Counter im Hauptbahnhof darüber beschwere, dass der Automat keine Dänischen Kronen nimmt. Und das, wo doch die Strecke Kiel-Altona die erste Dänische Eisenbahnstrecke überhaupt war. Okay, das war 1844 und da waren die Machtverhältnisse in Schleswig-Holstein noch etwas anders. Da kam der Däne noch zum Regieren zu uns und wir fuhren noch nicht mit dem Inhalt eines halb leergekauften Aldi im Kofferraum nach Blåvand. Aber verglichen mit der Weltgeschichte ist das doch nur ein Wimpernschlag von heute entfernt. Wahrscheinlich haben uns die eigenwilligen Streckenplanungen des dänischen Königs Christian VIII verdrießt. Ziehen Sie mal aus Spaß eine direkte Linie zwischen Kiel und Hamburg. Und was liegt definitiv noch nicht einmal ansatzweise in der Nähe dieser Linie? Genau: Elmshorn. Dennoch fahren seit über 150 Jahren alle Kieler, die nach Hamburg wollen, im weiten Bogen über besagte Teppich- und Müsli-Stadt. Und das eben nur, weil der dänische König näher an sein Schloss in Glückstadt fahren wollte. Überlegen Sie sich mal, was das zusammen an Lebenszeit von allen Pendlern bedeutet? Obwohl, ich als Bahnfan freue mich natürlich über jede Verlängerung. Und außerdem soll an der Trassenführung gar nicht der König, sondern ein Herr Panje aus Elmshorn und die Wirtschaft schuld sein. Doch das ist die langweiligere Geschichte.

Wussten Sie eigentlich, dass Kiel vier echte Bahnhöfe und damit einen mehr als Dagebüll hat? Neben dem Hauptbahnhof gibt es noch Elmschenhagen, Hasse CITTIPARK und Suchsdorf. Und auch von dort kann man in alle Welt reisen. Wenn Sie zum Beispiel mittwochs um 04:44 Uhr in Elmschenhagen in die Regionalbahn einsteigen, dann sind Sie nach nur viermal umsteigen und nicht einmal 35 Stunden Fahrt am Donnerstag um 15:40 Uhr in Palermo Central auf Sizilien. Nicht dass dies ein Elmschenhagener ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Aber es ist doch toll, dass er es könnte. Der Suchsdorfer würde wahrscheinlich schon um 01:36 Uhr losfahren und wäre mit achtmal umsteigen nach 32:24 Stunden am Donnerstag um 10:00 Uhr in Palermo. Großartig!

Eine gute Reise wünscht

Euer und Ihr

Caulius