Kieler Nachrichten (INKIEL) 03.09.2010

Caulius und die Fotos

Kiel ist natürlich als eine der schönsten Städte der Welt ein gern genommenes Fotomotiv. Immerhin 70.126 Ablichtungen unserer Perle an der Förde finden sich bei Flickr.com, der Sammelstelle im Internet für Amateurfotos. Für Lübeck sind dort gerade mal 44.605 und für Rostock 51.894 Bilder verzeichnet. Kiel ist also fast so fotogen wie Lübeck und Rostock zusammen – oder nahezu doppelt so schön wie Lübeck. Das macht stolz.

Dass wahre Schönheit von innen kommt, hat auch Google mit seinem Street-View-Projekt erkannt und hielt im vergangenen Jahr selbst kleinste Nebenstraßen der Landeshauptstadt in allen Facetten fest. Der Amerikaner weiß es schon lange: Kiel ist nicht nur am Wasser schön und warum nicht die Welt daran teilhaben lassen? Da können doch selbst Datenschützer nichts gegen haben. Und wenn schon Gebäude verpixelt werden müssen, dann gerne das Kieler Schloss – da merkt es wahrscheinlich eh niemand. Dass Kiel beim Start von Street-View kommendes Jahr noch nicht dabei sein wird, ist meines Erachtens eine rein wirtschaftliche Entscheidung von Google. Dient sie doch der Sicherung der Ausgewogenheit der Nutzung des Systems. Wer will sich schon virtuell durch Bochum klicken, wenn er locker im Internet das Hindenburgufer entlang surfen kann?

Aber auch andere Unternehmen haben schon angekündigt, dass sie ihre Autos mit aufgeschnallten Automatikkameras durch Europa schicken wollen. Sollten wir uns da nicht rüsten und Kiel noch den letzten Schliff geben? Rathausturm, Kreuzfahrtschiffe, Kleiner Kiel, Friedrichsorter Leuchtturm und Laboer Ehrenmahl haben zwar was, doch heutzutage ist Innovation gefragt. Der den Satelliten präsentierte Spruch „Edle Artist AG“ auf dem Dach der Stadtgallerie ist ein Anfang, doch lockt das den Hessen an die Förde? Der Internetnutzer von heute will beeindruckt werden.

Wenn sich das nächste Mal ein Street-View-Dienst ankündigt, einfach mal ein paar Palmen am Falckensteiner Strand aufstellen, dem Badegast eine Kokosnuss von Aldi mit Strohhalm in die Hand drücken und Zoo Knutzen überreden, einigen ihrer Schildkröten etwas Auslauf zu gönnen – das sind Motive, die beeindrucken und die gerne als Schmucktapete ausgedruckt werden.

Noch einfacher geht es auf dem Rathausplatz. Der Turm ist ja baulich schon an den Campanile des Markusdoms in Venedig angelehnt. Fehlen nur noch Gondeln auf dem Kleinen Kiel, Eisverkäufer und Hütchenspieler. Allerdings wird es für die Gondolieres sportlich, sich durch das enge Rohr unter der Holstenbrücke zu zwängen. Gut, dass da die Kameras nicht hinkommen. Die Brücke nennen wir dann vielleicht auch besser gleich „Ponte del Holsten“, um die Illusion perfekt zu machen. Den Canal Grande haben wir ja schon wenige Kilometer nördlich davon.

Wie wäre es auch damit, den Funkturm an der Spitze etwas rundlicher zu gestalten? Dazu benennen wir den Platz drum herum zu Ehren des Schauspielers Peter Alexander und setzen ein Zeichen dafür, dass Deutschland mehrere Hauptstädte hat. Oder der Fliegende Holländer in Schilksee wird begrünt und Kiel hätte mit diesen hängenden Gärten sogar ein Weltwunder den vorbeifahrenden Kameras zu bieten.

Doch haben wir das überhaupt nötig? Kiel ist so, wie es ist, einzigartig. Wenn die Datenschützer störrisch bleiben, dann muss die Welt eben selbst herkommen, um es zu bestaunen. Soll es dann immer noch unbedingt zusätzlich ein Weltwunder sein, dann vergrößern wir eben die Statue von Asmus Bremer und nennen sie den „Koloss von Rönne“. Auch schön – mag es dann in der Holstenstraße auch etwas schattig werden.

Findet

Euer und Ihr

Caulius