Kieler Nachrichten (INKIEL) 10.10.2014

Caulius ist doch kein Spießer

Große Denker unserer Zeit beginnen Sätze gerne mit den Worten "Ich bin ja kein ... aber" und führen ihre von Toleranz geprägten Ausführungen weiter mit "es muss doch noch gesagt werden dürfen." Ganz dieser Tradition verschrieben, möchte ich heute aussprechen: "Ich bin doch kein Spießer, aber es muss doch noch mal in einer Kolumne geschrieben werden dürfen."

Zum Beispiel diese Sache mit den Flohmarkt-Malereien. Sollte die Welt an einem Sonntag-Nachmittag verschüttet werden, spätere Archäologen werden rätseln, was Kreideinschriften wie "Hier besetzt" oder "Reserviert für Hansen" auf der Holstenstraße bedeuten mögen. Dabei ist das Kennzeichnen der gewünschten Handelsplätze in der Innenstadt eigentlich erst am Sonnabend ab 22 Uhr zulässig und muss bis mittags am nächsten Tag entfernt werden. Wer sich daran hält, dem bleibt am Sonntag jedoch nur noch ebay. Wo ist die harte Hand der Verwaltung, wenn schon am Donnerstag der Kreidestab geschwungen wird? Da könnte ja jeder... es muss doch nochmal gesagt werden dürfen...
Aber der Wettergott wird es schon richten - oder notfalls mein Kärcher.

Das ist wie mit dem Waffenverbot in der Bergstraße. Haben Sie sich mal die Verordnung durchgelesen? Bekanntlich gilt diese auch für waffenähnliche gefährliche Gegenstände. Die sind dort in der Gegend ab 21 Uhr bis 6 Uhr in der Früh tabu. Letztens hörte ich von einem "Freund", dass er mit seinem im Citti-Park (am Donnerstag noch knapp vor 22 Uhr) eingekauften Besteck den Weg durch die Bergstraße nahm. Natürlich habe ich das umgehend der Polizei gemeldet. Das galt auch für den Kollegen, der letzten Winter vor 6 Uhr morgens mit dem Schneeschieber dort hantierte. Auch ein gefährlicher Gegenstand der Klasse Baseballschläger und auch natürlich von mir angezeigt. Gehört habe ich von beiden Fällen noch nichts. Die Polizei ermittelt wohl sehr gründlich.

Und dann war da noch der Student, der bei der Universität hinten in den Bus eingestiegen ist. Der hat aber ordentlich etwas von mir zu hören bekommen. Wenn das alle täten. Ob er etwas besseres sei. Ob er nicht Schilder lesen könne. Und Schwarzfahren schade uns ehrlichen Kunden.

Allerdings muss ich zugeben, dass er mit seinen Einwänden nicht ganz Unrecht hatte. Nach eigener Recherche weiß ich nun, dass für den Universitätsbereich eine Ausnahme für das Hinten-Einsteigen-Gebot besteht. Und er hatte ein Semesterticket. Aber es muss doch zumindest nochmal gesagt werden dürfen... oder?

Das sind nur einige Beispiele für schreiende Missstände. Ich könnte noch so viel schreiben, wie etwa über diese rüpelhaften Menschen, die trotz Einbahnregelung an der Kiellinie bei der Kieler Woche einfach auf halbem Weg umdrehen. Oder über die, die sich auf den Brücken am Kai trotz fehlender Sondernutzungserlaubnis sonnen. Oder oder oder...

Wahrscheinlich wäre ich schon längst mit Magengeschwür und hohem Blutdruck eingeliefert worden, wäre ich kein Kieler. Denn egal was ich beobachte, dokumentiere und anzeige, stets denke ich auch an das beruhigende Kreischen der Möwen, das sanfte Anlanden der Wellen in Falckenstein und das rhythmischen Wummern der Motoren vorbeifahrender Kreuzfahrtschiffe. Und schon ist alles wieder gut. Naja, fast. Einer muss doch auch für Ordnung sorgen! Die Möwen kreischen jetzt bei mir in der Nachbarschaft nur noch bis 19:30 Uhr, Ostseewasser gehört nicht auf die Straße (starker Wind gilt hier nicht als Ausrede) und Kreuzfahrtschiffe fahren bitte nur noch mit maximal 5 Knoten durch die Förde - sonst wird es beim Baden so unruhig am Strand.

Das darf ich ja wohl noch in so einer Kolumne schreiben. Ordnung muss schließlich sein!

Völlig unspießig findet das

Euer und Ihr

Caulius