Kieler Nachrichten (INKIEL) 08.06.2012

Caulius und der Kieler-Woche-Kommerz

Jetzt ist es eingetreten - das, wovor uns unsere Altvorderen immer gewarnt haben: Die Kieler Woche ist kommerziell. Vorbei die schönen Zeiten, als man bei sanftem Sommerwetter pfeifend über den Internationalen Markt schlendern konnte und sich einfach an den prall gefüllten Ständen nahm, was dort auslag – begleitet von einem zärtlichen „Bleib sofort stehen Du Dieb“ in den putzigsten Landessprachen. Vorbei die Zeiten, als man seine Notdurft frei von allen Zwängen und 50-Cent-Münzen erledigen konnte, wo man ging und stand. Vorbei die Zeiten, als man spontan mit seiner Jolle morgens raus segelte, um sich mit den Besten zu messen. Und vorbei die Zeiten, als man nur seinen Becher dem Wirt am Stand hinüberreichen musste und schon Milch und Honig bzw. Limetten und Cachaca im Überfluss flossen.

Angeblich soll Herr Zuckerberg kurz überlegt haben, den Börsengang von Facebook zu verschieben. Ihm war viel zu viel negative Stimmung in seinem Netz, ausgelöst von Gruppen wie „Die Kieler Woche muss kostenfrei bleiben“.

Der Sündenfall für das Kieler Woche Paradies findet dieses Jahr 2012 an der Hörn statt. Und die Versuchung ist nicht einfach eine Schlange, die lässig mit dem Apfel wedelt. Nein, sie hat ein Gesicht. Das Gesicht von Scooter und von Dick Brave, von Madcon und Ingo Appelt.

„Komm her, Caulius. Kauf Dir eine Karte. Nur fünf Euro …“ höre ich sie verführerisch zischen. Fünf Euro! Hallo? Geht’s noch? Ich glaub, es hackt. Dafür muss ein Handwerker oder Arzt bis zu 5 Minuten arbeiten – vor Steuern. Nun gut, nicht jeder Kieler Woche Gast ist Handwerker oder Arzt. Aber erschreckend ist das schon. Und die Vorverkaufsgebühr kommt auch noch dazu. Auch Caulius muss in dieser Kolumne mindestens zwei Sätze für eine Karte schreiben. Gute Sätze! Sätze wie dieser hier.

Wo wird das enden? Wird irgendwann „Gewaltig leise“ auf der Freilichtbühne Krusenkoppel auch Eintritt kosten? Kann man sich dann auch bei der Balloon Sail nicht mehr einfach unten an einen Korb hängen und mitfliegen? Und wollen am Ende auch die Busse, Schiffe und Bahnen sogenannte „Fahrkarten“ verkaufen? Ist der Damm erst einmal gebrochen, dann wird es kein Halten mehr geben. Geldgeiles Pack. Für jeden Taxifahrer ist es doch auch in der Kieler Woche eine Ehre, übermäßig beschwipste Gäste sicher zu ihrer Haustür zu geleiten. Die nehmen doch auch nichts dafür, außer ein dankbares „Das mit dem Sitz tut mir leid“.

Die Facebook-Aktivisten regen einen Boykott an. Aber das bringt doch nichts. Caulius macht das ganz anders. Ich habe mir schon für alle Veranstaltungen an der Hörn Karten gekauft. Sogar für den unbekannten Castingshow-Teilnehmer am ersten Sonntag und für alle 21:30 Uhr-Konzerte, obwohl die eigentlich völlig kostenlos sind. Und wisst Ihr, was ich dann mache? Ich gehe einfach nicht hin. Das ist Punk!

Naja, vielleicht gehe ich doch zu den Leningrad Cowboys. Die sind auch mindestens so Punk wie ich. Aber ich guck dann einfach nicht hin und kauf den Getränkestand leer. Dann werden die ja sehen, was sie davon haben. Ätsch!

Free the Kieler Woche.

Ruft Euer und Ihr

Caulius